Warum der Begriff „mutige Ehrlichkeit“?
Der ehrliche Umgang miteinander erfordert Mut auf allen Seiten. Kein Mensch, inklusive den Führungskräften, hört gerne Kritik. Vor der eigenen Mannschaft zu sitzen, in 10 – 20 Gesichter zu schauen und um ein ehrliches Feedback zu bitten, sorgt für ganz besondere Gefühle. Dieses gilt insbesondere für das erste Mal, wenn man noch nicht weiß, was hinter den Mitarbeiter-Fassaden wirklich vorgeht.
Auch ist es als Team-Mitglied nicht einfach, Kritik an der Führungskraft zu äußern, der Person, der man demnächst in einem Beurteilungs- oder Gehaltsgespräch gegenübersitzt.
Selbst auf gleicher Hierarchieebene, im Vieraugengespräch, ist es schwierig einer anderen Person Kritikpunkte direkt und ohne Erregung ins Gesicht zu sagen.
Ohne die biochemischen Cocktails für Wut, Aggression oder Stress in unseren Adern, fehlt es uns leider oft am Mut, die Dinge, die uns bewegen, ehrlich beim Namen zu nennen.
Was sind die Konsequenzen von mangelnder Ehrlichkeit?
Die für uns wirklich wichtigen, negativen Dinge kommen leider meistens erst dann auf den Tisch, wenn wir so erbost sind, dass uns der Kragen platzt und unsere Hemmschwelle sowie unsere Wertschätzung (dem anderen gegenüber) stark gesunken ist.
Nach einem solchen Feedback sind die Konsequenzen klar. Es gibt Verletzungen, Vertrauensverlust und es führt neben einer gesunkenen Mitarbeiterzufriedenheit zu einer gestörten Kommunikation. Wirtschaftlich gesehen resultieren daraus hohe Einbußen in der weiteren produktiven Zusammenarbeit.
Aber auch ohne diese Zerwürfnisse hat der Mangel an mutiger Ehrlichkeit gravierende Nachteile.
Damit wir uns in unserem Umfeld gut orientieren können, müssen wir das Umfeld und die Reaktionen des Umfeldes auf unsere Handlungen wahrnehmen und verarbeiten. Alle Mitarbeiter stellen eine Erweiterungsmöglichkeit unserer Wahrnehmungsfähigkeit dar. Diese nicht zu nutzen, entspricht ungefähr dem freiwilligen Aufsetzen von Scheuklappen.
Nutzen wir nun die Wahrnehmungen unserer Mitarbeiter nicht oder trauen sich diese nicht uns ihre Wahrheit mitzuteilen, dann haben wir ein unvollständiges Bild für unsere Entscheidungen. Sollten die Menschen in unserem Umfeld aus Höflichkeit, Boshaftigkeit oder mangelndem Mut sogar unwahre Dinge mitteilen, so haben wir sogar ein falsches Bild als Entscheidungsgrundlage.
Häufig werden Projekte „an die Wand gefahren“, Karrieren enden in einem jähen Absturz oder ganze Firmen geraten in Schieflage, weil Führungskräften Offenheit oder Mut fehlen, ehrliches Feedback einzuholen oder die Mitarbeiter nicht den Mut haben ihre Wahrnehmungen und Meinungen nach oben zu kommunizieren.
Unvollständige oder falsche Bilder führen zu einer falschen Selbst- und Situationseinschätzung. Das ist so wirksam, dass es sogar als hocheffizientes Mobbinginstrument genutzt wird. Mitarbeiter, die ihre Führungskraft loswerden wollen, versorgen diese mit wenig oder falschem Feedback.
Wie ist ein Klima der „mutigen Ehrlichkeit“ zu erlangen?
Als Führungskraft ist mein tägliches Verhalten entscheidend. Durch langfristiges Vorleben bestimme ich das Klima in meiner Organisation. Es kommt zu einer operanten Konditionierung des Teams, d.h. ich als Führungskraft bin innerhalb meines Bereiches für das Klima verantwortlich. Es sind nicht die Mitarbeiter, es sind nicht die externen Dienstleister, es ist nicht die Branche oder irgendeine andere Instanz, an die ich meine Verantwortung abgeben kann.
Einige wichtige Punkte für das angestrebte Klima:
- mit Organisationsmitgliedern besprechen wieso/weshalb/warum ehrliches Feedback gewünscht wird
- sich auf klare Feedbackregeln vereinbaren, wie z.B.:
- in Ich-Botschaften sprechen
- klar und konkret sprechen
- beschreibend – nicht bewertend
- veränderbare Dinge ansprechen
- …
- als Führungskraft den Mut haben ehrliches Feedback abzufragen
- auch kritisches Feedback positiv entgegennehmen
- in den Mitarbeitergesprächen ehrlich sein und Ehrlichkeit einfordern
- dafür sorgen, dass sich Ehrlichkeit innerhalb der Organisation lohnt
- extra Treffen nur für Metakommunikation installieren
Was ist das Fazit?
Ein Klima der mutigen Ehrlichkeit hilft uns, uns als Führungskraft selbst, unser Verhalten und unsere Umwelt besser wahrzunehmen. Das ermöglicht uns Gefahren und Chancen frühzeitig zu erkennen und bessere Entscheidungen zu treffen. Ein langfristiges, mutiges und positives Vorleben der gewünschten Eigenschaften schafft in unserer Organisation das Klima, das wir uns wünschen.